Donnerstag, 1. Oktober 2015

Meine Arbeitsstelle

Flamboyant Special School. So heißt die Schule zu der ich jeden Morgen um sieben Uhr meinen Weg antrete. Zum Glück ist die Schule sehr nahe und ich muss nur fünf Minuten zu Fuß gehen.


Das ist mittags auf dem Nachhauseweg schon genug Zeit um von der sambischen Sonne verbrannt zu werden. Oktober ist der heißeste Monat hier und so wird es jeden Tag 35 Grad oder mehr. Mein deutscher Körper muss sich da erstmal dran gewöhnen. Wir sitzen oft mittags nur im Schatten und dösen ein bisschen, weil es zu heiß ist um irgendetwas zu tun. Selbst sitzen ist anstrengend :-D

Die Schule ist eine Einrichtung die von irischen Schwestern geleitet wird und somit ein sehr sauberer und schöner Ort. Die meisten Schule die unter der Regierung stehen sind dreckig und überfüllt und so können wir uns glücklich schätzen. Erst letzte Woche waren ein paar Künstler in der Schule und haben ein tolles Wandbild in unserer Aula gemalt.



Das gibt es nicht oft in den Schulen. Der Schulleiter ist mein Onkel und er hat sich sehr gefreut, dass eine deutsche Freiwillige in seiner Schule arbeitet, da vor ein paar Jahren ebenfalls ein Mädchen aus meiner Organisation dort ausgeholfen hat. So wurde ich sofort in das Kollegium aufgenommen und da zurzeit viele Praktikanten an der Special School unterrichten, meinen sie alle: "Du bist auch eine Praktikantin."


In der Special School gibt es insgesamt sieben Klassen. Vier davon sind für geistig behinderte Kinder, von der ersten bis vierten Klasse sozusagen. Der Rest ist für Gehörlose. Bis jetzt war ich in der ersten und zweiten Klasse der geistig behinderten Kinder und habe noch nicht mit den Gehörlosen zusammengearbeitet. Aber ich denke, wenn ich nächstes Jahr nach Aachen zurückkomme, werde ich Zeichensprache beherrschen. Das hoffe ich doch. (Bis jetzt kann ich nur Guten Morgen und Wie geht es dir sagen beziehungsweise zeigen.)
Die Kinder in der ersten Klasse können noch nicht so viel. Es erfordert sehr viel Geduld und Hingabe mit ihnen zu arbeiten. Manche der Kinder sind nicht in der Schule um Fortschritte in ihrer schulischen Ausbildung zu machen, sondern vielmehr um zu lernen in einer Gesellschaft zusammen zu leben.
In jeder Klasse sind nur 10 bis 20 Kinder, weil es wirklich viel, viel anstrengender ist! Jedes Kind braucht eine andere Hilfestellung und da fühlt es sich manchmal an, als hätte man 50 Kinder in der Klasse. Es unterscheidet sich so sehr, worin die Kinder gut oder nicht so gut sind. Manche können wunderbar schreiben und ausmalen, andere malen nur Kringel und schaffen es nicht einen geraden Strich zu ziehen, können aber sehr gut singen und sich Lieder merken. In meiner ersten Klasse war ein Junge, der perfekt Englisch sprechen konnte, aber wenn man ihm einen Stift in die Hand gab, hat er nur wie wild rumgekritzelt. Ein Mädchen hat dagegen kein Wort mit einem gewechselt, doch wenn man sie puzzeln ließ, konnte sie problemlos ein Bild legen. Manchmal sorgt das für Überraschungen und da freut man sich oft über kleine Dinge. Manchmal kann man aber nur den Kopf über das ein oder andere Verhalten schütteln. Und manchmal reißt einem der Geduldsfaden, wenn man erklärt, das hier, das ist eine Vier, aber das Kind ist trotzdem der Überzeugung, dass diese Zahl eine Acht ist. Wir Lehrer haben da oft was zu lachen. Und zu staunen, wenn die Kinder plötzlich einen klaren Moment haben und verstehen, was du von ihnen willst.
Am besten finde ich es, wenn wir Musik haben. Meine Klasse in der ich gerade bin ist sehr gut im Singen, besonders ein Junge, der gibt immer den Ton an und alle anderen stimmen ein. Dann stehen sie alle in einem Kreis, einer dirigiert und alle springen und tanzen durch das Klassenzimmer und singen so laut, dass manche Kinder sich die Ohren zuhalten. Aber ich finde es wunderbar.



Ich finde es besonders gut, dass ich an diesem Ort noch kein Mal als „Musungo“ bezeichnet wurde. Musungo bedeutet weiße Frau und überall schreien die Kinder „Musungo, Musungo!“ wenn ich über die Straße laufe. Ich kann ja verstehen, dass sie aufgeregt sind ein weißes Mädchen zu sehen, aber so auf die Hautfarbe reduziert zu werden ist manchmal ganz schön nervend. In der Special School bin ich für die Kinder aber nur eine ganz normale Lehrerin. Sie bemerken nicht, dass ich eine „Weiße“ bin, für sie bin ich eine weitere Freundin und wenn ich morgens ankomme, werde ich genauso umarmt wie die anderen Lehrer und sie rufen mich genauso „Teacher, My Teacher!“ wie sie die anderen Lehrer auch rufen.


Ich fühle mich daher sehr wohl an meinem ersten Arbeitsplatz und denke schon richtig wie eine Lehrerin. Die Lehrer an dieser Schule meinen alle, wir Lehrer, die die „Special Children“ unterrichten, wir sind auch speziell. Ja, da ist wahrscheinlich was dran.
Manchmal komme ich nach Hause und wundere mich, dass meine kleine Schwester ihre Hausaufgaben so ordentlich in ihr Heft schreibt, weil ich andere Kinder gewöhnt bin.

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