Hallo und Kwaamba an alle Leute da draußen!
Es
tut mir unglaublich Leid, dass ich so lange nichts mehr von mir hören
lassen habe. Ich kann kaum glauben, dass ich es in den ersten Monaten
geschafft habe fast jede Woche etwas zu schreiben. Doch nach und nach
ist Deutschland weit weggerückt und die Wochen haben angefangen wie im
Flug zu vergehen. Ich war und bin zur Zeit viel zu beschäftigt meine
letzte Zeit hier zu genießen, als dass ich Lust habe Blogeinträge zu
verfassen. Eigentlich ja ein gutes Zeichen ...
Seit
April ist eine Menge passiert.
- Die Schule hat wieder begonnen. Ich unterrichte nun eine Klasse alleine in Kunst, da die Lehrerin ihr Baby bekommen hat.
- Ich war auf der Graduation meiner Cousine die nun eine Krankenschwester ist.
- Mein Vater hat angefangen in einer Bäckerei zu arbeiten.
- Ich habe meine ältere Schwester und ihre Familie in Lusaka besucht.
- Ich habe zum ersten Mal meine Schwester kennengelernt, die einer Ordensgemeinschaft beigetreten ist, und da sie noch in der Ausbildung zur Nonne ist, ihre Familie nicht besuchen darf. Da es ein internationaler Orden ist, wird sie vielleicht sogar nach Deutschland gesendet. Es war sehr toll sie zu besuchen.
- Außerdem habe ich andere Freiwillige im Copperbelt Sambias besucht und nocheinmal ein ganz anderes Gesicht Sambias gesehen. Der Copperbelt etwas nördlich ist viel grüner als der Süden, aber auch kälter. Selbst Mazabuka ist die Tage im Mai und Juni ziemlich kalt geworden.
- Der Mais ist nun geerntet (einen Tag auf dem Feld habe ich auch im Mai gearbeitet und Mais geerntet) und das Land sieht nun braun und kahl aus.
- Die Regenzeit ist vorbei und es ist wieder sehr trocken und staubig -jedoch kalt. Morgens laufe ich nun schon immer in Jeans, Jacke und Schal zur Schule.
Weil
ich unmöglich alles erzählen kann, was die letzten Monate passiert ist,
werde ich nur ein paar besondere Momente aufschreiben:
*Ich
habe eine Freiwillige in Kitwe besucht, die ebenfalls in einer Schule
arbeitet. Sie unterrichtet dort die Vorschule was eine echte
Herausforderung ist, da die Kinder nur Bemba reden.
In dieser Schule
haben wir zusammen eine Wand bemalt, da die Schule gerade frisch
gestrichen wurde. Zusammen haben wir einen Baum an die Wand gemalt und
daraufhin allen Kindern die Hände angestrichen, damit sie ihren
Handabdruck als Blatt an der Mauer verewigen konnten.
Es hat eine Menge
Spaß gemacht und die Kinder waren begeistert von der Aktion.
*Wir
sind nun in unserer kleinen Gemeinde sehr aktiv und ich habe mich mit
den Jugendlichen dort sehr gut angefreundet.
In den Ferien war ich so
fast jeden Tag bei ihnen Zuhause, da hier alle um die Ecke wohnen. Das
ist so schön daran mitten im Compound
zu leben. Zusammen haben wir Jugendlichen kleine Projekte gestartet um
Geld zu sammeln. Wir waren Mais ernten und haben in Haushalten
gewaschen.
All die Zeit war jedes Mal total schön. Ich will gar nicht
daran denken ohne sie nach Deutschland zu fahren.
*Das erste Mal in meiner Zeit hier in Mazabuka
ist ein Aufstand ausgebrochen. Meine Mama hat mir erklärt, dass das
manchmal passiert, wenn die Leute über etwas sehr wütend sind und sich
an der Polizei (die nicht immer etwas tut wenn etwas Schlimmes passiert)
rächen wollen. So kam es zum Aufstand als ein vermisstes Mädchen tot
aufgefunden wurde und der verdächtige Mörder nicht sofort festgenommen
wurde. Die Leute fanden das unfair und fingen an Läden des Verdächtigen
niederzubrennen. So steigerte sich die Wut und besonders bei mir Zuhause
im Compound
lag Spannung in der Luft. Schulen wurden im Nachmittag geschlossen. Zum
Glück war nach einem Tag alles wieder ruhig. Mir wird ja oft gesagt,
Sambia ist ein friedvolles Land. Wenn so etwas passiert zweifel
ich dann manchmal an diesem Spruch. Doch man muss das alles in Relation
sehen: Ich bin nun schon fast ein Jahr hier und das war das einzige
Mal, dass so etwas passiert ist. In anderen Ländern um uns herum ist
dagegen Gewalt Alltag.
*Als
ich meine Schwester in Lusaka besucht habe, sind wir zusammen mit
meiner Cousine und meiner Nichte auf eine Geburtstagsparty gegangen. Ein
Verwandter ist sechs Jahre geworden und die Eltern hatten uns
eingeladen.
(Busbahnhof Lusaka)
Da der Vater des Jungen eine Geschäftskette besitzt und
ebenfalls seine Ehefrau dort sehr tätig ist, ist die Familie
entsprechend wohlhabend. Es war sehr seltsam über die Sandpisten Lusakas
an kleinen Häusern vorbeizufahren um dann durch ein riesiges Tor in ein
ummauertes und alamanlagegesichertes
Grundstück zu gehen. Mir ist dann ein weiteres Mal aufgefallen wie groß
Klassenunterschiede sein können, besonders wenn die Mittelschicht nicht
sehr groß ist. Irgendwie habe ich mich an diesem Tag sehr komisch
gefühlt. Es ist schon traurig wenn man eine riesige Mauer um sein Haus
bauen muss. Ich glaube, ich persönlich lebe da tausendmal lieber bei
meiner Familie im kleinen Mazabuka mit all meinen Freunden um die Ecke.
*Ich weiß gar nicht, ob ich schon mal etwas über Witchcraft
geschrieben habe. Auf jeden Fall nehmen die meisten Leute hier die
ganzen Hexengeschichten, die so kursieren, sehr ernst. Das hat mir auch
wieder ein Issue
in der Schule meiner Mitfreiwilligen gezeigt: Ein Junge hatte einem
Mädchen mit einer Gabel (ich weiß bis heute nicht wie er das geschafft
hat) die Haare an der Kopfhaut abgeschnitten. Nun kamen die Eltern des
Mädchen ganz besorgt an, weil, wie ich dann gelernt habe, Haare
schneiden früher oft als Teufelritual
praktiziert wurde um diese Haare für andere Rituale benutzen zu können.
Die Eltern sind sogar mit ihrem Kind zum Priester gegangen, damit
dieser feststellen konnte, ob das Mädchen nun besessen ist. Ich und auch
die anderen sambischen Lehrer haben nicht glauben können, dass so ein
unschuldiger Akt so verfremdet werden kann. Mir wurde erklärt, dass
früher so etwas vielleicht ein großes Thema gewesen wäre, aber
heutzutage das nicht mehr passiert.
*Ich
bin immer wieder überrascht, wie gebildet und weltoffen katholische
Priester und Ordensschwestern sind. In Deutschland sind das oft die
Leute die als engstirnig und altmodisch bezeichnet werden. Hier jedoch
ist das genau andersherum. Besonders aufgefallen ist mir das, als ich
die Ordensgemeinschaft meiner Schwester besucht habe. Hier wird nur
Englisch gesprochen, da verschiedene Nationalitäten zusammen kommen. Das
Kloster hat große Gärten, eine wunderschöne Kapelle und sogar einen
Pool.
Die Schwestern sind noch total jung und super nett. Hier erlebt
man wirklich einen Glauben in der Kirche, der noch viel lebendiger und
offener ist.
*Zuletzt
noch etwas worüber viele Deutsche überrascht sind, wenn ich ihnen das
erzähle: Dass ich hier natürlich auch EM gucke! Selbst hier verfolgen
viele den europäischen Fußball und besonders mein Bruder ist ein großer
Fan. So freue ich mich schon auf Donnertag um mit ihm das nächste
Deutschlandspiel zu gucken. Hoffentlich haben wir Strom ...
(Meine Familie)
Das
waren ein paar Eindrücke aus den letzten Monaten. Ich weiß nicht, wann
ihr das nächste Mal Zeit finden werde etwas zu schreiben. Gerade bin ich
einfach viel zu gerne hier als an Deutschland zu denken. Aber keine
Sorge, ihr werdet meine Geschichten spätestens hören, wenn ich wieder
Zuhause bin. Sind ja nur noch sechs Wochen ...