Mittwoch, 15. Juni 2016

Die Zeit fliegt

Hallo und Kwaamba an alle Leute da draußen! 
Es tut mir unglaublich Leid, dass ich so lange nichts mehr von mir hören lassen habe. Ich kann kaum glauben, dass ich es in den ersten Monaten geschafft habe fast jede Woche etwas zu schreiben. Doch nach und nach ist Deutschland weit weggerückt und die Wochen haben angefangen wie im Flug zu vergehen. Ich war und bin zur Zeit viel zu beschäftigt meine letzte Zeit hier zu genießen, als dass ich Lust habe Blogeinträge zu verfassen. Eigentlich ja ein gutes Zeichen ...  


Seit April ist eine Menge passiert. 

  • Die Schule hat wieder begonnen. Ich unterrichte nun eine Klasse alleine in Kunst, da die Lehrerin ihr Baby bekommen hat. 
  • Ich war auf der Graduation meiner Cousine die nun eine Krankenschwester ist. 
 

 
 
 
 
  • Mein Vater hat angefangen in einer Bäckerei zu arbeiten.
  • Ich habe meine ältere Schwester und ihre Familie in Lusaka besucht. 
 
 
  • Ich habe zum ersten Mal meine Schwester kennengelernt, die einer Ordensgemeinschaft beigetreten ist, und da sie noch in der Ausbildung zur Nonne ist, ihre Familie nicht besuchen darf. Da es ein internationaler Orden ist, wird sie vielleicht sogar nach Deutschland gesendet. Es war sehr toll sie zu besuchen. 
  • Außerdem habe ich andere Freiwillige im Copperbelt Sambias besucht und nocheinmal ein ganz anderes Gesicht Sambias gesehen. Der Copperbelt etwas nördlich ist viel grüner als der Süden, aber auch kälter. Selbst Mazabuka ist die Tage im Mai und Juni ziemlich kalt geworden. 
  • Der Mais ist nun geerntet (einen Tag auf dem Feld habe ich auch im Mai gearbeitet und Mais geerntet) und das Land sieht nun braun und kahl aus. 
  • Die Regenzeit ist vorbei und es ist wieder sehr trocken und staubig -jedoch kalt. Morgens laufe ich nun schon immer in Jeans, Jacke und Schal zur Schule.  

Weil ich unmöglich alles erzählen kann, was die letzten Monate passiert ist, werde ich nur ein paar besondere Momente aufschreiben:  

*Ich habe eine Freiwillige in Kitwe besucht, die ebenfalls in einer Schule arbeitet. Sie unterrichtet dort die Vorschule was eine echte Herausforderung ist, da die Kinder nur Bemba reden. 



In dieser Schule haben wir zusammen eine Wand bemalt, da die Schule gerade frisch gestrichen wurde. Zusammen haben wir einen Baum an die Wand gemalt und daraufhin allen Kindern die Hände angestrichen, damit sie ihren Handabdruck als Blatt an der Mauer verewigen konnten. 





Es hat eine Menge Spaß gemacht und die Kinder waren begeistert von der Aktion.  

*Wir sind nun in unserer kleinen Gemeinde sehr aktiv und ich habe mich mit den Jugendlichen dort sehr gut angefreundet. 


In den Ferien war ich so fast jeden Tag bei ihnen Zuhause, da hier alle um die Ecke wohnen. Das ist so schön daran mitten im Compound zu leben. Zusammen haben wir Jugendlichen kleine Projekte gestartet um Geld zu sammeln. Wir waren Mais ernten und haben in Haushalten gewaschen. 


All die Zeit war jedes Mal total schön. Ich will gar nicht daran denken ohne sie nach Deutschland zu fahren.  

*Das erste Mal in meiner Zeit hier in Mazabuka ist ein Aufstand ausgebrochen. Meine Mama hat mir erklärt, dass das manchmal passiert, wenn die Leute über etwas sehr wütend sind und sich an der Polizei (die nicht immer etwas tut wenn etwas Schlimmes passiert) rächen wollen. So kam es zum Aufstand als ein vermisstes Mädchen tot aufgefunden wurde und der verdächtige Mörder nicht sofort festgenommen wurde. Die Leute fanden das unfair und fingen an Läden des Verdächtigen niederzubrennen. So steigerte sich die Wut und besonders bei mir Zuhause im Compound lag Spannung in der Luft. Schulen wurden im Nachmittag geschlossen. Zum Glück war nach einem Tag alles wieder ruhig. Mir wird ja oft gesagt, Sambia ist ein friedvolles Land. Wenn so etwas passiert zweifel ich dann manchmal an diesem Spruch. Doch man muss das alles in Relation sehen: Ich bin nun schon fast ein Jahr hier und das war das einzige Mal, dass so etwas passiert ist. In anderen Ländern um uns herum ist dagegen Gewalt Alltag.  

*Als ich meine Schwester in Lusaka besucht habe, sind wir zusammen mit meiner Cousine und meiner Nichte auf eine Geburtstagsparty gegangen. Ein Verwandter ist sechs Jahre geworden und die Eltern hatten uns eingeladen. 

(Busbahnhof Lusaka)


Da der Vater des Jungen eine Geschäftskette besitzt und ebenfalls seine Ehefrau dort sehr tätig ist, ist die Familie entsprechend wohlhabend. Es war sehr seltsam über die Sandpisten Lusakas an kleinen Häusern vorbeizufahren um dann durch ein riesiges Tor in ein ummauertes und alamanlagegesichertes Grundstück zu gehen. Mir ist dann ein weiteres Mal aufgefallen wie groß Klassenunterschiede sein können, besonders wenn die Mittelschicht nicht sehr groß ist. Irgendwie habe ich mich an diesem Tag sehr komisch gefühlt. Es ist schon traurig wenn man eine riesige Mauer um sein Haus bauen muss. Ich glaube, ich persönlich lebe da tausendmal lieber bei meiner Familie im kleinen Mazabuka mit all meinen Freunden um die Ecke.  

*Ich weiß gar nicht, ob ich schon mal etwas über Witchcraft geschrieben habe. Auf jeden Fall nehmen die meisten Leute hier die ganzen Hexengeschichten, die so kursieren, sehr ernst. Das hat mir auch wieder ein Issue in der Schule meiner Mitfreiwilligen gezeigt: Ein Junge hatte einem Mädchen mit einer Gabel (ich weiß bis heute nicht wie er das geschafft hat) die Haare an der Kopfhaut abgeschnitten. Nun kamen die Eltern des Mädchen ganz besorgt an, weil, wie ich dann gelernt habe, Haare schneiden früher oft als Teufelritual praktiziert wurde um diese Haare für andere Rituale benutzen zu können. Die Eltern sind sogar mit ihrem Kind zum Priester gegangen, damit dieser feststellen konnte, ob das Mädchen nun besessen ist. Ich und auch die anderen sambischen Lehrer haben nicht glauben können, dass so ein unschuldiger Akt so verfremdet werden kann. Mir wurde erklärt, dass früher so etwas vielleicht ein großes Thema gewesen wäre, aber heutzutage das nicht mehr passiert. 

*Ich bin immer wieder überrascht, wie gebildet und weltoffen katholische Priester und Ordensschwestern sind. In Deutschland sind das oft die Leute die als engstirnig und altmodisch bezeichnet werden. Hier jedoch ist das genau andersherum. Besonders aufgefallen ist mir das, als ich die Ordensgemeinschaft meiner Schwester besucht habe. Hier wird nur Englisch gesprochen, da verschiedene Nationalitäten zusammen kommen. Das Kloster hat große Gärten, eine wunderschöne Kapelle und sogar einen Pool. 


Die Schwestern sind noch total jung und super nett. Hier erlebt man wirklich einen Glauben in der Kirche, der noch viel lebendiger und offener ist.  



*Zuletzt noch etwas worüber viele Deutsche überrascht sind, wenn ich ihnen das erzähle: Dass ich hier natürlich auch EM gucke! Selbst hier verfolgen viele den europäischen Fußball und besonders mein Bruder ist ein großer Fan. So freue ich mich schon auf Donnertag um mit ihm das nächste Deutschlandspiel zu gucken. Hoffentlich haben wir Strom ...  



(Meine Familie)

Das waren ein paar Eindrücke aus den letzten Monaten. Ich weiß nicht, wann ihr das nächste Mal Zeit finden werde etwas zu schreiben. Gerade bin ich einfach viel zu gerne hier als an Deutschland zu denken. Aber keine Sorge, ihr werdet meine Geschichten spätestens hören, wenn ich wieder Zuhause bin. Sind ja nur noch sechs Wochen ...