Dienstag, 27. Oktober 2015

Sambia hat Geburtstag

Am Samstag war hier in Sambia Independence Day und das wird immer ganz groß gefeiert. Letztes Jahr hatten wir ein 50-jähriges Jubiläum, schade, dass ich das so knapp verpasst habe. Aber nichtsdestotrotz war es ein sehr ereignisreicher und schöner Tag.

Morgens haben sich ein paar Kinder von meiner Schule getroffen, weil wir zusammen auf der offiziellen Independence Feier in Mazabuka etwas vorführen wollten. Auf dieser Veranstaltung sind alle Schulen aus Mazabuka vertreten. Wir fuhren also zusammen in die Stadt und gingen zu einer großen Wiese, wo anscheinend die Feier stattfand. Morgens waren dort noch viele Leute beschäftigt Bänke aufzustellen, Zelte gegen Schatten aufzuspannen (ich habe trotzdem Sonnenbrand bekommen) und sambische Fahnen aufzuhängen. Dann, nach einer Zeit, füllte sich die Wiese und die ersten „wichtigen“ Leute, welche unter einem speziellen Zelt saßen, kamen an. Es spielte eine kleine Band und der Moderator sagte endlich an, dass es losging. Ich habe meinen Hals gereckt wo nun was anfangen sollte und dann habe ich bemerkt, dass die Menschen alle eine Gasse bildeten und neugierig stellte ich mich dazu. Auf die Wiese marschierten nun Leute ein, vorneweg ein Banner und Musiker mit Trompeten und Trommeln.



Aha, Independence ist wohl der sambische Karneval! Daran hat es mich echt ein bisschen erinnert. Nach den Musikern marschierten nämlich ein paar Vertreter von jeder Schule ein, jede in ihrer Uniform und mit einem Banner vorneweg und der Moderator sagte die Schulen an. Da waren außerdem Vereine, wie die Karatekinder aus Nakambala oder die Vertreter der Zuckerfabrik.


Und alle marschierten in einem langen Zug auf die Wiese. Bevor es mit den Aufführungen losging, wurde natürlich gebetet und die Nationalhymne gesungen. Und dann führen die Schulen verschiedenste Dinge auf, von Tänzen über Gedichte, Schauspiel, Sport bis zu Gesang. Wir führten ein Schauspiel auf, in dem es darum ging, dass sambische Schulkinder überfallen wurden und appellierten an ein friedvolles Sambia. Es spielten ausschließlich taube Kinder und einer unserer Lehrer übersetzte alles. Außerdem führen wir eine Art Marsch vor, in dem ich ebenfalls involviert war.


Dabei hat jedes Kind (und ich) einen Stock in der Hand und man marschiert auf und ab, während man spezielle Bewegungen mit diesem Stock macht. Eine Lehrerin spielte Trommel dazu. Es war echt toll! Nachher kamen so viele Leute auf mich zu und meinten, dass es so schön war, ein weißes Mädchen mitmarschieren zu sehen. Da habe ich mich sehr gefreut.

Außerdem haben wir in unserer Gemeinde eine Art Party organisiert, zu der wir schon Wochen vorher Karten verkauft haben. Wir feierten im Gemeindehaus und es gab reichlich Unterhaltung. Es wurde natürlich viel getanzt wie sich das gehört und zwar auf sambische Art –und auf deutsche! Die Mädchen wollten nämlich alle einen deutschen Tanz lernen und da fiel mir als erstes der typische Gardetanz an Karneval ein. So wurde ich auf die Bühne gezogen und wir tanzten zusammen Garde. Das war wirklich sehr cool.


 Nachher gab es außerdem reichlich Essen für alle und wir grillten draußen. Es war wirklich ein sehr gelungener Nachmittag.
Ich fand es total schön zu sehen, wie stolz die Sambier auf ihr Land sind und mit welcher Freude sie den Geburtstag ihres „Mothercountry Zambia“ feierten. Und ich freue mich, dass ich einfach so wie von selbst mitfeiern und mitmarschieren durfte. Ich denke, dass hat viele berührt und mich auch!

Mittwoch, 21. Oktober 2015

Warum Mazabuka die süßeste Stadt ist

An dem letzten Wochenende haben meine Schwester und ich unseren Onkel besucht, der in einem anderen Teil von Mazabuka wohnt, in Kaleya Sugar. Warum dieser Ort so heißt, wurde mir dann auch klar, als unser Onkel uns mit seinem Auto zuhause abgeholt hat und wir losgefahren sind. Sobald wir die große Straße verlassen hatten, ging es nämlich geradewegs zwischen den Feldern hindurch. Felder soweit das Auge reicht bis an den Horizont. Zuckerrohrfelder. Traktoren, Arbeiter, Bewässerungsanlagen und gerade, asphaltierte Straßen durch das grüne Meer. Und alles das war Zuckerrohr! Onkel erzählte uns, dass von der Zuckerfabrik aus es in jede Richtung 15 Kilometer nur Zuckerrohrfelder gibt. Meine Güte! Die Fabrik habe ich dann auch einmal von außen gesehen. Sie ist nicht besonders schön, ein großer, grauer, rauchender Klotz. Aber dem haben wir zu verdanken, dass wir fast immer Strom und Wasser haben. Andere Teile von Sambia haben manchmal sieben Stunden am Stück keinen Strom. Besonders die Hauptstadt, Lusaka, ist davon betroffen. Die Zuckerfabrik jedoch braucht rund um die Uhr Strom. Zucker ist das, womit die Leute hier Geld verdienen, womit die Wirtschaft angekurbelt wird. Und so braucht Mazabuka Strom –und wir haben das Glück! In Kaleya Sugar, wo mein Onkel wohnt, ist die Situation sogar noch besser: Dieser Teil von Mazabuka generiert seinen eigenen Strom und so haben die Leute hier keine Probleme mit Unterbrechungen. Wasser und Strom durchgehend – was für ein Paradies! Und so ist es mir wirklich vorgekommen, wie im Paradies. Kaleya Sugar ist nämlich ein sehr schöner Ort. Die Häuser sind zwar winzig, doch dafür haben die Leute hier wiegesagt Strom und fließendes Wasser und sehr gepflegte Gärten und Wege.


Die Straßen sind sauber und die Gärten grün und sorgsam angelegt. Es gibt grüne Hecken und schattige Mangobäume, alles erscheint sehr grün und frisch. Ein bisschen hat mich Kaleya Sugar an die Schrebergärten erinnert, die wir in Aachen haben. So sieht es nämlich ungefähr dort aus. So habe ich mal einen anderen Ort kennengelernt.

 
Das Viertel wo ich wohne heißt Kabobola und hier ist es im Gegensatz zu Kaleya Sugar ziemlich staubig und laut. Überall rennen Kinder herum und Musik wird gespielt und wenn es windig ist, wird der Dreck von den Straßen aufgewirbelt. Wenn ich das so schreibe und mir es nochmal durchlese kommt das ein bisschen falsch rüber. Man darf das nicht generalisieren. Nicht überall in Kabobola ist es dreckig und vermüllt. Unser Haus ist sehr ordentlich und die Menschen hier achten sehr darauf, dass alles sauber ist, da man sonst schnell krank werden kann. Aber als ich das erste Mal hierher gekommen bin, als mich die Sister zu meiner Familie durch die holprigen Straßen gebracht hat, da hat mich der viele Müll auf der Straße geschockt. Jetzt gehe ich so selbstverständlich durch mein Viertel und ab und zu denke ich an diesen ersten Moment. Ich bin wohl schon ziemlich hier angekommen und an mein Umfeld gewöhnt. Ich hoffe ihr denkt jetzt nicht ich wäre in so einem klischeehaften Viertel gelandet oder so. Das stimmt nämlich absolut nicht. Ein paar getippte Worte können nicht alles beschreiben was ich hier sehe und erlebe.

Den anderen Teil des Wochenendes habe ich hauptsächlich in der Gemeinde verbracht. Sonntags gibt es immer drei Messen: Die englische, die Kindermesse und die auf Tonga. Eigentlich gehe ich immer mit meiner Schwester und meinem Bruder in die englische Messe wie die meisten Jugendlichen. Meine kleine Schwester geht in die Kindermesse und meine Eltern in die Tongamesse. Letzten Sonntag bin ich jedoch mit meinen Eltern zusammen in die Kirche gegangen, da in dieser Messe eine Hochzeit gefeiert wurde. Meine Mutter meinte, ich sollte auf jeden Fall meine Kamera mitnehmen und mich in die erste Reihe setzen –sozusagen direkt neben die Familie des Brautpaares. Ein bisschen schüchtern setze ich mich mit ihr nach ganz vorne, doch die Verwandten des Paares waren nur ganz begeistert, dass ich ein bisschen fotografieren wollte.


Die Messe war sehr schön und die Atmosphäre echt toll. Eigentlich, außer der Sprache, war es dasselbe wie in Deutschland in einer katholischen Messe. Nur die Gemeinde war viel mehr involviert. Es wurde gesungen und geklatscht und als das Versprechen gegeben wurde haben die Leute gejubelt. Insgesamt eine ganz normale Tongamesse mit Singen und Tanzen und Jubeln.

Ansonsten laufen in der Gemeinde zurzeit die Vorbereitungen für den Independence Day, welcher nächsten Samstag stattfindet. Da bin ich auch schon gespannt drauf, vor allem, weil die Youth immer eine große Feier geben. Sicherlich werdet ihr davon noch hören! Bis dahin, alles Gute aus Sambia!


Eure Helen

Freitag, 9. Oktober 2015

Ein bisschen Familienleben

Ich wollte einen Post über meine Familie machen, aber jetzt weiß ich gar nicht wo ich anfangen soll. Ich bin schon fünf Wochen in meiner Familie und in dieser Zeit sind wir schon sehr zusammen gewachsen. Jeden Tag zusammen draußen sitzen und reden, kochen, einkaufen gehen oder zusammen Musik hören und tanzen.



Manchmal stellen wir die Boxen von unserer Musikanlage nach draußen und meine Schwestern bringen mir ein paar Tanzschritte bei. Ich muss sagen, die meisten hier können echt super tanzen und die sambische Musik höre ich jetzt schon irre gern.
Irgendwo in unserem Viertel läuft sowiso immer Musik, sodass man auch immer genau weiß wann kein Strom da ist (dann ist es nämlich plötzlich gespenstisch still). Und wenn der Storm wiederkommt jubeln alle Kinder in der Nachbarschaft und wir laufen auf die Terrasse und jubeln mit.
Sowieso verbringt man die meiste Zeit draußen weil es übertags im Haus viel zu heiß wird. Morgens ist es noch kühl, daher wird Arbeit in Sachen Haushalt morgens erledigt. Wir kehren das Haus und die Terrasse, spülen und gegen elf wird schon angefangen Mittagessen vorzubereiten. Wir kochen meistens draußen selbst wenn Strom da ist, das ist einfach praktischer.



Nachmittags kann man es weder draußen noch drinnen aushalten finde ich. Oktober ist definitiv zu heiß. Wir warten dann nur darauf, dass die Sonne endlich untergeht und meine Geschwister von der Schule wiederkommen.



Abends ist es dann am Schönsten weil alle Zuhause sind und es kühler wird. Meistens kommt auch Wasser erst abends wieder und dann kann man duschen und alles. Abends ist immer sehr gute Stimmung zuhause. Wir kochen zusammen zu Abend und es wird viel geredet (auch wenn wie untereinander oft schnelles Tonga benutzen das ich nicht immer verstehe).
 Oft kommt auch unsere Nachbarin rüber mit der wir uns ein Grundstück teilen. Es ist ein Paar mit einem ein Jahr alten Kind, Emma. Die ist so oft bei uns, dass sie auch zur Familie zählt. Sowiso ist es hier meistens so, dass Erziehung von Kindern nicht allein Elternsache ist, sondern vielmehr in der Gemeinschaft passiert und alle mit erziehen. Deswegen ist es ganz normal wenn Emma hier ist und wir uns mit ihr beschäftigen.
Unser Haus ist im Vergleich unserem Haus in Deutschland klein aber das fällt irgendwie gar nicht so auf. Ich teile mir mit einer meiner Schwestern ein Zimmer und das ist gar kein Problem. Sie ist ein fast gleich alt wie ich und wir verstehen uns sehr gut. Ich kann mich echt glücklich schätzen, dass ich sowohl sie als auch einen Bruder in meinem Alter habe, weil ich so automatisch deren Freunde kennenlerne und wir viel zusammen unternehmen.



Eine meiner älteren Schwestern die schon ausgezogen sind bekommt im November ihr erstes Baby und dann wird sie für zwei Monate auch hier wohnen, weil das Tradition ist. Da freue ich mich schon sehr drauf.



Sowiso kann ich kaum erwarten, dass November kommt, dann wird es nämlich endlich endlich kühler und die Regenzeit beginnt. Ich hätte nicht gedacht, dass ich den aachener Regen mal vermissen werde!
Viele sonnige Grüße,
Helen/Chile

Donnerstag, 1. Oktober 2015

Meine Arbeitsstelle

Flamboyant Special School. So heißt die Schule zu der ich jeden Morgen um sieben Uhr meinen Weg antrete. Zum Glück ist die Schule sehr nahe und ich muss nur fünf Minuten zu Fuß gehen.


Das ist mittags auf dem Nachhauseweg schon genug Zeit um von der sambischen Sonne verbrannt zu werden. Oktober ist der heißeste Monat hier und so wird es jeden Tag 35 Grad oder mehr. Mein deutscher Körper muss sich da erstmal dran gewöhnen. Wir sitzen oft mittags nur im Schatten und dösen ein bisschen, weil es zu heiß ist um irgendetwas zu tun. Selbst sitzen ist anstrengend :-D

Die Schule ist eine Einrichtung die von irischen Schwestern geleitet wird und somit ein sehr sauberer und schöner Ort. Die meisten Schule die unter der Regierung stehen sind dreckig und überfüllt und so können wir uns glücklich schätzen. Erst letzte Woche waren ein paar Künstler in der Schule und haben ein tolles Wandbild in unserer Aula gemalt.



Das gibt es nicht oft in den Schulen. Der Schulleiter ist mein Onkel und er hat sich sehr gefreut, dass eine deutsche Freiwillige in seiner Schule arbeitet, da vor ein paar Jahren ebenfalls ein Mädchen aus meiner Organisation dort ausgeholfen hat. So wurde ich sofort in das Kollegium aufgenommen und da zurzeit viele Praktikanten an der Special School unterrichten, meinen sie alle: "Du bist auch eine Praktikantin."


In der Special School gibt es insgesamt sieben Klassen. Vier davon sind für geistig behinderte Kinder, von der ersten bis vierten Klasse sozusagen. Der Rest ist für Gehörlose. Bis jetzt war ich in der ersten und zweiten Klasse der geistig behinderten Kinder und habe noch nicht mit den Gehörlosen zusammengearbeitet. Aber ich denke, wenn ich nächstes Jahr nach Aachen zurückkomme, werde ich Zeichensprache beherrschen. Das hoffe ich doch. (Bis jetzt kann ich nur Guten Morgen und Wie geht es dir sagen beziehungsweise zeigen.)
Die Kinder in der ersten Klasse können noch nicht so viel. Es erfordert sehr viel Geduld und Hingabe mit ihnen zu arbeiten. Manche der Kinder sind nicht in der Schule um Fortschritte in ihrer schulischen Ausbildung zu machen, sondern vielmehr um zu lernen in einer Gesellschaft zusammen zu leben.
In jeder Klasse sind nur 10 bis 20 Kinder, weil es wirklich viel, viel anstrengender ist! Jedes Kind braucht eine andere Hilfestellung und da fühlt es sich manchmal an, als hätte man 50 Kinder in der Klasse. Es unterscheidet sich so sehr, worin die Kinder gut oder nicht so gut sind. Manche können wunderbar schreiben und ausmalen, andere malen nur Kringel und schaffen es nicht einen geraden Strich zu ziehen, können aber sehr gut singen und sich Lieder merken. In meiner ersten Klasse war ein Junge, der perfekt Englisch sprechen konnte, aber wenn man ihm einen Stift in die Hand gab, hat er nur wie wild rumgekritzelt. Ein Mädchen hat dagegen kein Wort mit einem gewechselt, doch wenn man sie puzzeln ließ, konnte sie problemlos ein Bild legen. Manchmal sorgt das für Überraschungen und da freut man sich oft über kleine Dinge. Manchmal kann man aber nur den Kopf über das ein oder andere Verhalten schütteln. Und manchmal reißt einem der Geduldsfaden, wenn man erklärt, das hier, das ist eine Vier, aber das Kind ist trotzdem der Überzeugung, dass diese Zahl eine Acht ist. Wir Lehrer haben da oft was zu lachen. Und zu staunen, wenn die Kinder plötzlich einen klaren Moment haben und verstehen, was du von ihnen willst.
Am besten finde ich es, wenn wir Musik haben. Meine Klasse in der ich gerade bin ist sehr gut im Singen, besonders ein Junge, der gibt immer den Ton an und alle anderen stimmen ein. Dann stehen sie alle in einem Kreis, einer dirigiert und alle springen und tanzen durch das Klassenzimmer und singen so laut, dass manche Kinder sich die Ohren zuhalten. Aber ich finde es wunderbar.



Ich finde es besonders gut, dass ich an diesem Ort noch kein Mal als „Musungo“ bezeichnet wurde. Musungo bedeutet weiße Frau und überall schreien die Kinder „Musungo, Musungo!“ wenn ich über die Straße laufe. Ich kann ja verstehen, dass sie aufgeregt sind ein weißes Mädchen zu sehen, aber so auf die Hautfarbe reduziert zu werden ist manchmal ganz schön nervend. In der Special School bin ich für die Kinder aber nur eine ganz normale Lehrerin. Sie bemerken nicht, dass ich eine „Weiße“ bin, für sie bin ich eine weitere Freundin und wenn ich morgens ankomme, werde ich genauso umarmt wie die anderen Lehrer und sie rufen mich genauso „Teacher, My Teacher!“ wie sie die anderen Lehrer auch rufen.


Ich fühle mich daher sehr wohl an meinem ersten Arbeitsplatz und denke schon richtig wie eine Lehrerin. Die Lehrer an dieser Schule meinen alle, wir Lehrer, die die „Special Children“ unterrichten, wir sind auch speziell. Ja, da ist wahrscheinlich was dran.
Manchmal komme ich nach Hause und wundere mich, dass meine kleine Schwester ihre Hausaufgaben so ordentlich in ihr Heft schreibt, weil ich andere Kinder gewöhnt bin.