Sonntag, 13. September 2015

mein erster Bericht

hallo ihr da draußen!
ich bin nun schon rund eine Woche in meiner Familie und fühle mich sehr wohl hier. Morgen werde ich an meiner ersten Arbeitsstelle anfangen, da bin ich schon gespannt drauf. Das wird in einer Special School sein, also eine Schule für behinderte Kinder. Mal sehen wie viel Zeichensprache ich nach dem Jahr draufhab :-)
Für meine Organisation den EWE schreibe ich regelmäßig Berichte und der erste ist bereits fertig. Ein paar Dinge habe ich hier zwar schon geschrieben, aber ich dachte es ist vielleicht trotzdem interesaant für euch. Hier ist er:

Über Kochen, Dresscode und Kirche

Sambia. Choma, Livingstone und Mazabuka. In den ersten Wochen habe ich schon so viele Plätze in diesem neuen, noch etwas fremden Land gesehen.
Dieses Jahr habe ich die Orientationswochen bei der Sister in ihrem „Convent“ (Kloster) verbringen dürfen – ein Gegensatz zu den letzten Jahren. Aber deswegen habe ich das Leben in Choma und das der Sister hautnah miterleben können. Zusammen haben wir gekocht, gespült, gewaschen und den restlichen Haushalt geschmissen.
Und wenn bei der Sister gekocht wird, oder auch in meiner Familie wo ich nun wohne, dann wird schon morgens damit angefangen (oder am Tag vorher). Es werden Bohnen noch vor dem Frühstück geköchelt, Fisch am Tag vorher getrocknet. Kochen ist hier kein „ich wärme mir mal eben was in der Mikrowelle auf“. Kochen ist hier ein Prozess und zwar ein Prozess mit viel Geduld und Arbeit. Aber das ist gerade schön. In meiner Familie kochen meistens wir Kinder. Und deswegen verbringen wir schon allein beim Kochen viel Zeit miteinander.
Einmal war es so, dass wir so viel gequatscht haben, dass das Gemüse schon wieder kalt geworden war und Mama sich beschwert hat. Doch auch sie muss schmunzeln, wenn sie uns in der Küche hört, wie wir Gospellieder singen oder ich versuche ihnen Paartanz beizubringen.
Tanzen und Singen ist hier etwas ganz alltägliches. In meinem Freundeskreis in Aachen habe ich oft das Gefühl, dass besonders die Jungs nicht tanzen weil sie sich schämen. Hier schämt sich niemand. Hier werden vor der Kirche, wenn auf ein Treffen gewartet wird (und es wird hier oft gewartet) die Trommeln rausgeholt und es fängt einfach irgendwer an zu tanzen.
Genauso ist das mit Singen. Ständig wird gesungen, beim Kochen, beim Kehren, besonders natürlich in der Kirche.
Kirche verbindet einfach alles. Und wenn man sonntags zur Messe geht, alle Leute trifft, zusammen singt und lacht, dann fühle ich einfach, dass Kirche hier lebt und ich wünschte ich könnte etwas von diesem „Spirit“ mit nach Deutschland nehmen.
Genauso in meiner Familie. Wir sind sehr katholisch und deswegen wird jeden Abend zusammen gebetet, was ich sehr schön finde. Einer leitet immer das Gebet und so kann jeden Tag ein anderes Familienmitglied seine Gedanken mitteilen. Das verbindet.
Ich wurde sowieso direkt in die Familie aufgenommen und so habe ich erstmal beim Ankommen einen Tonganamen verpasst bekommen der nichts anderes heißt als „Blessing“ (Segen). Auf Tonga ist das Chileleko und wenn ich mich hier mit diesem Namen vorstelle, ernte ich jedes Mal erstaunte Blicke, weil dieser Jemand nicht glauben kann, dass ein weißes Mädchen Chileleko heißt. Meine Mutter ist überzeugt davon, dass ich allein hier in dieser Familie bin, weil es Gottes Wille war. Und so bin ich ein Segen, eine „Chileleko“, und ein weiteres ihrer Kinder und das fühle ich auch. Ich bin hier keine Fremde.
Vom ersten Moment an war ich ein Teil der Familie und als mich der Father in meiner ersten Messe vorgestellt hat und ich und meine Schwester nach vorne kommen mussten, meinte er: „Das sind Helen und Winnie und sie sind Schwestern.“ Und alle haben gelacht.
Leider ist unser erstes Meeting der Jugend in meiner Gemeinde ausgefallen, ganz plötzlich. Hier muss man jederzeit auf alles vorbereitet sein, „anytime from now“ sagen wir hier. (Jederzeit ab jetzt). Was mich natürlich als modebegeistertes Mädchen besonders interessiert ist die Kleidung die hier getragen wird. Die Sister meinte zu mir, dass sie sehr streng ist, was Kleidung angeht und sie meinte, dass in Deutschland vielleicht Dinge wie Pünktlichkeit wichtig sind und hier ist eins der Dinge die wichtig sind der Dresscode. So zieht sich meine Familie jeden Sonntag schick an um zur Messe zu gehen, Kleider werden noch schnell gebügelt und Hemden herausgekramt. Und wenn man absolut nicht weiß, was man diesen Sonntag anziehen soll, dann bildet man sich ein Chitenge um, das ist nie verkehrt.
Chitenge, das ist ein bedruckter Stoff, den sich die Frauen hier um die Hüften binden. Es gibt Stoff mit kirchlichen Motiven und welchen mit einfachen Mustern. Man kann sie als Tuch, als Rock, als Tragetasche für Babys und Gemüse benutzten und sie sind nie verkehrt zu tragen. Mit einem Chitenge in der Tasche ist man immer auf der sicheren Seite finde ich.
Was außerdem typisch hier ist, das ist natürlich das afrikanische Haar –oder sollte ich lieber indisches Haar sagen? Denn irgendwie war ich immer der Überzeugung, dass die tollen Rastalocken und geflochtenen Zöpfe der Sambierinnen aus echtem Haar bestehen. Falsch gedacht.
In meiner zweiten Woche habe ich einen „Hairdresser“ (Friseur) besucht und da wurden alle Frisuren von lang bis kurz mit falschem Haar angenäht, hineingeflochten und aufgedreht. Ich war fasziniert. Und deswegen musste ich mir natürlich auch selbst so eine tolle Frisur verpassen lassen. Acht geschlagene Stunden habe ich dort verbracht, während die Friseusen um mich rumgeschwirrt sind und wir Geschichten ausgetauscht haben –über Filme die hier wie in Deutschland bekannt sind aber auch über Dinge wie, dass in Deutschland in der Kirche nicht getanzt wird, was sie schockierend fanden. Außerdem habe ich die ein oder andere Geschichte über „Witchcraft“ (Hexerei) gehört und musste schmunzeln, weil die meisten Leute hier auf diese Zauberei beharren.
Selbst beim Friseur wird man, sobald es Mittag wird, zum Nshima essen eingeladen und selbstverständlich wird von einem Teller gegessen. Das verbindet irgendwie und ich finde es sehr schön, dass hier alles geteilt wird, egal was es ist und wie wenig man hat, es wird geteilt.
Als ich beim Friseur Nshima mit den Händen gegessen habe, waren alle Augenpaare plötzlich auf mich gerichtet. Die Weiße ist Nshima mit den Händen! Ich habe ihnen erklärt, dass ich sogar schon Nshima gekocht habe und das fanden sie alle großartig.
So habe ich in dieser ersten Zeit schon viele neue Erfahrungen gesammelt –über Haushalt schmeißen, beten, Familienleben, Tonga lernen. Und ich bin gespannt in welche Situationen ich in den nächsten Monaten noch so stolpern werde!

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